Rede am 10. Januar

Für diesen Montag haben wir zu einer Demonstration aufgerufen (hier finden Sie den Aufruf zur Demo) und 350 Menschen sind unserem Aufruf gefolgt!

Eröffnungsrede eines Mitglieds der Initiative „NIE WIEDER – Erinnern für die Zukunft – Gemeinsam gegen Rechts!“  zur Kundgebung am 10.1.22 vor dem Rathaus                                         

Im Namen unserer Initiative „NIE WIEDER – Erinnern für die Zukunft – Gemeinsam gegen Rechts!“ möchte auch ich Euch alle herzlich begrüßen. Dass wir als Initiative zu dieser Demonstration und Kundgebung aufgerufen haben, ist begründet in unseren Zielen und unserem Selbstverständnis.

Unsere Gruppe eint die Überzeugung, gegen rechte Entwicklungen,  Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung von Minderheiten für ein friedliches Zusammenleben in Worpswede eintreten zu wollen. In unserem Logo, das Ihr auch auf dem heutigen Aufruf seht, auf den Plakaten und unserem großen Banner bringen wir das klar zum Ausdruck.

Warum stehen wir hier in Zeiten, in denen es sinnvoll und notwendig ist, Kontakte zu reduzieren und möglichst zu Hause zu bleiben?

Wir treffen uns hier, um den öffentlichen Raum nicht denen zu überlassen, die ihn missbrauchen. Man darf nicht vergessen: wir sind die Mehrheit. 70- 80 % der Bevölkerung sind geimpft oder wollen sich impfen lassen. Das sind für eine Pandemie immer noch zu wenig.

Was ist nun mit der Minderheit der Impfgegner und ihrer Ablehnung gesundheitspolitischer Maßnahmen? Ich habe immer wieder folgendes Argument gehört: „Es ist doch meine Sache, ob ich mich impfen lasse. Ich trage selbst die Verantwortung dafür.“ Das ist nicht verantwortungsbewusst, sondern eher egoistisch.

Es geht um die Solidarität aller mit allen – Gesunden, Kranken, älteren Menschen, Menschen mit anfällig machenden Einschränkungen. Es geht nicht um Vorstellungen von Freiheitseinschränkungen, wie sie nur mit der Situation in einer Diktatur vergleichbar seien. Masken Tragen, Abstand Halten, Kontaktreduktion, Hygieneregeln und Impfen – das ist keine Nazidiktatur! In einer Diktatur könnten die Gegner*innen dieser Maßnahmen weder Aufrufe verfassen noch auf die Straße gehen, ohne zumindest mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, wenn nicht mit weit Schlimmerem konfrontiert zu werden. Sich mit Sophie Scholl oder Anne Frank zu vergleichen, sich mit dem gelben Davidsstern der Judenverfolgung zu präsentieren, ist eine Schande und eine bodenlose Unverschämtheit. Kommt diesen Menschen nicht in den Sinn, dass Solidarität heißt, nicht nur sich selbst zu schützen, sondern auch alle anderen, die sie mit ihrer Weigerung möglicherweise  in Gefahr bringen?

Wenn sie sich nicht impfen lassen wollen, müssen sie sich zum Schutz anderer konsequent aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Zumindest aber müssten sie sich öffentlich von der jetzt entstehenden rechten Bewegung abgrenzen.

Aus einer Anti-Impf-, Corona-Leugnungs- und Verschwörungsgläubigen-Bewegung ist schon länger und jetzt explizit mit „Montags-“ bzw. „Mittwochs-Spaziergängen“  eine rechte Bewegung geworden. Lars Fischer von der Wümme-Zeitung hat in seiner ausführlichen Berichterstattung die Politologin, Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke zitiert: „ Sie sagte, „wer sich in diesen Telegram-Gruppen oder auf der Straße diesen Aufrufen anschließt, ist bereit, rechtsextreme und demokratiefreindliche Forderungen zu unterstützen, macht sich zum Teil eines Widerstandes, der absolut verlogen agiert. Denn tatsächlich geht es nicht um die Pandemie, sondern um antiliberale, autoritäre Ziele. … Wer sich diesen Protesten anschließt, ist nicht mehr naiv.“

Dieser Bewegung wollen wir Paroli bieten. Wir wollen deutlich machen, dass die Zahlen der Geimpften nicht nur eine schweigende Mehrheit repräsentieren, sondern dass wir die Straßen und Plätze nicht dem gefährlichen Gemenge von Anti-Aufklärung, Anti-Moderne und Rechtsradikalismus überlassen. Wir müssen die laute, sichtbare Mehrheit sein, weg aus dem Schweigen. Wir sollten uns nicht einschüchtern lassen von Personen, die Bürger und Bürgerinnen Worpswedes und anderswo im Internet diskriminieren bis hin zu Todesdrohungen, mit im Chor skandierten oder auf Hauswände geschriebenen Parolen wie: „Wir wissen, wo Du wohnst!“ oder von einschüchterndem Beobachtetwerden.

Das alles sind Nazimethoden und können verhindert werden, wenn Regierung, Parlament, Polizei und Justiz konsequent dagegen einschreiten und wir laut werden.

Es geht den Rechtsradikalen immer um die Macht im Staat. Einerseits nutzen sie die Möglichkeiten des Rechtsstaates aus – wie Wahlen und Versammlungsfreiheit, andererseits ignorieren sie diese, wie es gerade passt, und greifen zu Terror, Gewalt und Mord. Aus der Geschichte lernen, heißt auch, sich dessen immer bewusst zu sein.

Wenn wir auf Hitler und den Nationalsozialismus zurückblicken, sehen wir, dass aus  der rechten Ideologie kein Grund für oder gegen Impfungen abgeleitet werden kann. Die Nazis waren gegen Impfkampagnen, weil sie damit ihren Protest gegen das demokratische System und gegen die „jüdische Medizin“ zum Ausdruck bringen konnten, und sie waren für Impfkampagnen, als sie gemerkt hatten, dass ihnen die „Volksgenossen“ wegsterben und der Nachschub an Soldaten leiden könnte.

Nur ein Hinweis: die AfD hat zu Anfang der Pandemie die Regierung immer wieder dafür gerügt, das sie nicht hart genug sei mit ihren Maßnahmen. Später dann merkten die Rechten, wie sehr sie das Potential der Maßnahmegegner*innen für sich nutzen können.

Coronaleugnung und Impfgegnerschaft werden funktionalisiert für weiterreichende Zwecke, wie bereits erwähnt. Das heißt nicht, dass Impfgegner*innen und Gegner*innen der staatlichen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung ihrer Verantwortung für ihre Entscheidung, an diesen sogen. Spaziergängen mitzumachen, enthoben sind. Inzwischen weiß jede und jeder „Montagsspaziergänger“, wer alles in diesen Reihen mitläuft. Niemand kann später sagen, er oder sie habe das nicht gewusst, es sei doch nur um das öffentliche Kundtun einer persönlichen Meinung gegangen.

Wir appellieren an die Noch-Ansprechbaren, der wissenschaftlichen Auseinandersetzung Noch-Zugänglichen: Nutzt  nicht den öffentlichen Raum für Euer Anliegen, ohne Euch an die geltenden Corona-Regeln zu halten! Grenzt Euch sichtbar ab von allen, die Euch für Ihre undemokratischen Ziele und ihre Nazimethoden benutzen wollen! Seid solidarisch mit all denen, die in dieser Pandemie gefährdet sind, also mit uns allen!

Wenn es notwendig ist, werden wir immer wieder auf die Straße gehen, aber eigentlich würden wir heute gern zum letzten Mal wegen der Verteidigung der Schutzmaßnahmen, des Impfens und der Demokratie hier stehen – in Solidarität, mehrmals geimpft, mit Maske, mit Abstand und mit Anstand.

Ich danke Euch für die Aufmerksamkeit und bin froh, dass wir in unserer Demokratie alle hier stehen können!