2020

Aufgrund der aktuellen Lage wird es in diesem Jahr keine öffentliche Gedenkfeier geben. Wir werden auf dem Rosa-Abraham-Platz einen Gedenkort gestalten. Nachfolgend finden Sie alle Texte und Bilder der Aktion. Aufruf und Reden sind verlinkt und durch einen Click auf das Wort zu sehen.

Aufruf


Zwei Berichte zur Pogromnacht im Landkreis Osterholz:

aus: Rolf Rübsam, Sie lebten unter uns. Opfer der „Reichskristallnacht“ in Bremen und Umgebung, Bremen 1988, S. 77


Gedenken – Erinnern – Wissen – Handeln

Rede von Katharina Hanstein-Moldenhauer/Dr. Bernd Moldenhauer, Worpswede (DIG Bremen / Unterweser e.V.)


Nach den Novemberpogromen wurden Tausende Juden in Konzentrationslager verschleppt, dieje­nigen, die die Möglichkeit dazu hatten, versuchten, ins Ausland zu fliehen wie schon so viele vor ihnen. Die ersten beiden Gedichte haben diese erzwungene Emigration zum Inhalt.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 blieb die 1869 geborene deutsch-jüdische Dichterin Else Lasker-Schüler noch rund zweieinhalb Monate in Berlin; sie reis­te in die Schweiz ein, 1938 wurde sie von den Nazis ausgebürgert. „Deutsche Dichterinnen” zu sein, glaubte man gleich zu Beginn jenes Dritten Reiches den jüdi­schen deutschen Dichterinnen wie Else Lasker-Schüler, Gertrud Kolmar, Nelly Sachs absprechen zu können. Der „Völkische Beobachter” konstatierte: „… für uns ist, was immer eine Jüdin auch schreibt, vor allem keine deutsche Kunst!” Else Lasker-Schüler gelang die Flucht. Mit dem Exil änderten sich die Möglichkeiten zu publizieren für Else Lasker-Schüler wie für viele andere SchriftstellerInnen grund­legend.[1] Sie starb 1945 in Jerusalem.

Ihre Trauer über den Verlust ihres bisherigen Lebens finden wir in dem folgenden Gedicht:

Else Lasker-Schüler:

Mein blaues Klavier

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier

Und kenne doch keine Note.

Es steht im Dunkel der Kellertür,

Seitdem die Welt verrohte.

Es spielten Sternenhände vier –

Die Mondfrau sang im Boote.

Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

Zerbrochen ist die Klaviatur.

Ich beweine die blaue Tote.

Ach liebe Engel öffnet mir

– Ich aß vom bitteren Brote –

Mir lebend schon die Himmelstür,

Auch wider dem Verbote.

[1]     Quelle: Karl Jürgen Skrodzki, Februar 2002. Ergänzt November 2011


Erinnerung und Mahnung:

Rede von Pastor Jörn Contag (Ev.-luth. Kirchengemeinde Worpswede)


Auch Mascha Kaleko, 1907-1975, die jüdische Lyrikerin russisch-österreichischer Herkunft, muss­te vor den Nazis fliehen. Zwangsweise emigrierte sie 1938 in die USA.

Mascha Kaléko

Im Exil

Ich hatte einst ein schönes Vaterland –
So sang schon der Dichter Heine.
Das seine stand am Rheine,
Das meine auf märkischem Sand.

Wir alle hatten einst ein (siehe oben)
Das fraß die Pest, das ist im Sturz zerstoben.
O Röslein auf der Heide,
Dich brach die Kraftdurchfreude.

Die Nachtigallen wurden stumm,
Sahn sich nach sicherm Wohnsitz um,
Und nur die Geier schreien
Hoch über Gräberreihen.

Das wird nie wieder, wie es war,
Wenn es auch anders wird.
Auch, wenn das liebe Glöcklein tönt,
Auch wenn kein Schwert mehr klirrt.

Mir ist zuweilen so, als ob
Das Herz in mir zerbrach.
Ich habe manchmal Heimweh.
Ich weiß nur nicht, wonach. 


Nationalsozialismus: Rassenlehre, Menschenbild, Verschwörungsmythen:

Rede von Dr. Harro Jenss (Freundeskreis Haus im Schluh, Worpswede)


Der jüdisch-österreichische Lyriker Erich Fried (1921 – 1988) schrieb ein Gedicht „Im Gedenken an die Nacht der Judenverfolgung in Deutschland am 9. /10. November 1938“:

Erich Fried

Diese Toten

Hört auf, sie immer Miriam
und Rachel und Sulamith
und Aron und David zu nennen
in eueren Trauerworten!
Sie haben auch Anna geheißen
und Maria und Margarete
und Helmut und Siegfried:
Sie haben geheißen wie ihr heißt

Ihr sollt sie euch nicht
so anders denken, wenn ihr
von ihrem Andenken redet,
als sähet ihr sie
alle mit schwarzem Kraushaar
und mit gebogenen Nasen:
Sie waren manchmal auch blond
und sie hatten auch blaue Augen

Sie waren wie ihr seid.
Der einzige Unterschied
war Stern den sie tragen mußten
und was man ihnen getan hat:
Sie starben wie alle Menschen sterben
wenn man sie tötet
nur sind nicht alle Menschen
in Gaskammern gestorben

Hört auf, aus ihnen
ein fremdes Zeichen zu machen!
Sie waren nicht nur wie ihr
sie waren ein Teil von euch:
wer Menschen tötet
tötet immer seinesgleichen.
Jeder der sie ermordet
tötet sich selbst

Wir fordern zu Spenden für AMCHA auf, einer nicht-staatlichen Organisation in Israel, die den Überlebenden der Shoa sowie deren nachfolgenden Generationen bei der Bewältigung ihrer Traumata zur Seite steht. Unterstützt wird sie von AMCHA Deutschland. Die Erfahrungen in der Arbeit mit Traumatisierten werden auch an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Arbeit mit Geflüchteten in Deutschland weitergegeben. Spendenkonto IBAN: DE90 5206 0410 0003 9113 65 BIC: GENODEF1EK1 Verwendungszweck: Erinnern Worpswede

Das Gedenken wird getragen von: