Tag der Befreiung – Veranstaltung zum Gedenken an den 8. Mai 1945

Aufgrund der Pandemie konnte unsere Veranstaltung nicht öffentlich stattfinden. Statt dessen hier das Video mit unseren Ansprachen und der Lesung:


Link direkt zu YouTube

Unser Programm:

Begrüßung: Jochen Semken

Ansprachen zur Bedeutung des Tages der Befreiung: Almut Helvogt / Harro Jenss

Lesung: „War dies die Heimkehr? Alles fremd, fremd, fremd… Und doch auch wieder nicht“ (Klaus Mann im Mai 1945 bei seiner Rückkehr nach München als Sonderberichterstatter der US-Army)

Unser Aufruf:

„Ich war sieben und wusste einfach nicht, was das sein sollte: frei zu sein.“

(Edith Bär, befreit aus dem Lager Theresienstadt)

Richard von Weizsäcker war 1985 der erste Bundespräsident, der es aussprach:

„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete der Zweite Weltkrieg in Europa. „Der deutsche Faschismus hatte die Völker der ganzen Welt gegen sich mobilisiert und deshalb diesen ‚totalen Krieg‘ – wie ihn seine Führer nannten – total verloren. Es war das erste Mal in der neueren Ge-schichte, daß eine Großmacht nach einem verlorenen Krieg sich bedingungslos ihren Gegnern unterwerfen mußte, vollständig von den Siegern besetzt wurde, und daß zunächst alle ihre staatlichen Institutionen ihre Tätigkeit einstellen mußten.“ (Wolfgang Abendroth, Politologe, Rechtswissenschaftler)

Tag der Befreiung – für die Überlebenden der Konzentrations-, Arbeits- und Kriegsgefangenenlager, die Zwangsarbeiter*innen, die Häftlinge in Zuchthäusern und Gefängnissen, für die Versteckten und ihre Helfer*innen …

…und der Verzweiflung – für diejenigen, deren Angehörige ermordet, verhungert, verschollen waren und diejenigen, die wussten, dass sie trotz der Befreiung die Folgen der Lagerhaft nicht überleben konnten; für die obdachlos Gewordenen…

Tag der Niederlage – für das Naziregime, die Wehrmacht, die SS, die Gestapo, die mörderischen Juristen, die KZ-Lagerkommandant*innen und -bewacher*innen, die Denunziant*innen , die bis zuletzt überzeugten Mitläufer*innen…

… und der Leugnung – der Schuld, der Scham, der Täterschaft, des Mittuns und Mitwissens.

Tag der Erkenntnis – über das Ausmaß von Terror und mörderischer Gewalt, von nazistischer Zerstörungswut gegenüber dem eigenen Land und Europa…

…und des Neuanfangs – mit dem Wegräumen der Trümmer, dem Beginn des Aufbaus von Verwaltungseinheiten, dem Suchen von Angehörigen, dem Versuch einer Entnazifizierung, später dann den Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher…

Es wäre jedoch verkehrt, von einer „Stunde Null“ zu sprechen. Nicht nur der Naziungeist lebte in den Köpfen vieler Deutscher weiter, die „von nichts gewusst“ haben wollten, auch die Entnazifizierung in den Westzonen führte nicht zu einem Bruch in der personellen Kontinuität bei Justiz, Polizei, Verwaltung und Bildungsinstitutionen.

(In einer Befragung von 1044 Personen im Januar 2020 gaben nur 3% an, dass ihre Familien befürwortend zum Nationalsozialismus standen, 30% waren Gegner (https://www.zeit.de/2020/19/zeit-umfrage-erinnerungskultur.pdf). Die armen Nazis – sie hatten wirklich keine Anhänger…)

In der Rede Richard von Weizsäckers heißt es: „Vier Jahre nach Kriegsende, 1949, am 8. Mai, beschloss der Parlamentarische Rat unser Grundgesetz. Über Parteigrenzen hinweg gaben seine Demokraten die Antwort auf Krieg und Gewaltherrschaft im Artikel 1 unserer Verfassung: ‚Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.‘ Auch an diese Bedeutung des 8. Mai gilt es heute zu erinnern.“

Wir Heutigen tragen keine Schuld an den Verbrechen in der Zeit von 1933-45, aber wir alle gemeinsam haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Nazismus, Krieg und Shoa nie wieder stattfinden können. „Wir vergessen nicht, was geschehen ist! Aber wir vergessen auch nicht, was geschehen kann!“ (Bundespräsident Steinmeier) Die Attentate in Halle, Hamburg und anderen Städten auf Juden und Jüdinnen, die mutmaßlich rechtsextremen Brandanschläge auf Restaurants von Geflüchteten bzw. Migrant*innen in Syke, Gnarrenburg und Ganderkesee, die Morde in Hanau, der NSU-Terror – das alles macht deutlich, dass Nazis in diesem Land weiter aktiv sein können.

Das Erinnern an den Tag der Befreiung und das damit verbundene Gedenken an die Opfer von Faschismus und Krieg stehen auch im Zeichen des Jubiläumsjahres „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Dass sich in den letzten Jahrzehnten trotz aller Bedrohungen wieder ein vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland entwickeln konnte, erfüllt uns mit großer Dankbarkeit. Es mit allen in unserer Macht stehenden Kräften zu schützen, ist die Verpflichtung von Staat und Zivilgesellschaft, also von uns allen.