Wie enden Kriege?

Wenn man sich die Grausamkeiten, das Elend und die Sinnlosigkeit eines Krieges vor Augen hält …, ist man immer versucht zu sagen: ‚Die eine Seite ist genauso schlimm wie die andere. Ich bleibe neutral.‘ Im echten Leben aber kann man gar nicht neutral sein, und einen Krieg, in dem es keine Rolle spielt, welche Seite ihn gewinnt, gibt es nicht.

George Orwell

Zur aktuellen Bedeutung der Befreiung und der Beendigung des 2. Weltkriegs am 8. Mai 1945

Der 8. Mai ist ein Anlass, über den seit Februar 2022 tobenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Lichte unserer historischen Erfahrungen nachzudenken. Wir wissen nicht, wie dieser Krieg beendet werden wird, aber wir können eine ganze Reihe Parallelen zu dem Krieg ziehen, den das Deutsche Reich im August 1939 mit dem Überfall auf Polen begonnen hat.

Wie Kriege anfangen – und wie sie enden

Der 2. Weltkrieg war, von niemandem bestritten, ein Angriffskrieg Deutschlands auf die europäischen Nachbarn. Ihm vorausgegangen waren Verhandlungen und das Münchner Abkommen, welche die Nazi-Regierung abhalten sollten, ihre Kriegsziele weiter zu verfolgen. Wie wir wissen, haben diese Friedensverhandlungen bei Hitler nur bewirkt, seine Gegner zu unterschätzen und ihn in seinen Angriffsplänen bestärkt.

Der Krieg endete mit einer totalen Niederlage. Nur auf diesem Wege konnte der Friede in Europa wiederhergestellt werden.

Völkerrecht

Der Austritt aus dem Völkerbund 1933 – Italien und Japan waren ebenfalls ausgetreten – kann als der erste Schritt zum Krieg gelten. Er isolierte das NS-Reich von den westlichen europäischen Staaten und wurde von der deutschen Bevölkerung unterstützt. In einem mit den Reichstagswahlen verbundenen Plebiszit über den Austritt stimmten am 12. November 1933 nach offiziellen Angaben über 95 Prozent der Deutschen mit „Ja“.  

Verlogene Propaganda

Angriffskriege werden von langer Hand vorbereitet durch Propaganda und die systematische Verfolgung jeder Kritik an der Regierung und andere repressive Maßnahmen. Die für jeden offensichtliche Irrsinnigkeit der Propaganda („Die Deutschen stehen in einem heroischen Abwehrkampf gegen das internationale Judentum“) tat ihrer Wirksamkeit keinen Abbruch.

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Angriffskriege sind an sich verbrecherisch. Aber hinter der Front hatte sich überwiegend auf sowjetischem Boden ein noch monströseres Verbrechen abgespielt: die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung.

Verantwortlichkeit

Nach dem 2. Weltkrieg sind erstmals einige der Verantwortlichen in Nürnberg vor ein internationales Tribunal gestellt worden.  Die Nürnberger Prozesse leiteten wichtige Weiterentwicklungen des Völkerrechts ein. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden als neue Rechtstatbestände definiert. Jede Person, die ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich verantwortlich. Das gilt auch für Staatsoberhäupter. Auch wenn nationales Recht für ein völkerrechtliches Verbrechen keine Strafe androht, ist der Täter nach dem Völkerrecht strafbar.

Aktuelle Bedeutung des 2. Weltkrieges und seines Endes

Die Situation 1939 kann mit der des Beginns des russischen Angriffskrieges 2022 nicht gleichgesetzt werden. Die historische Lage, die kriegführende Regierung unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht vom deutschen faschistischen Regime. Aber einige Parallelen sind nicht zu übersehen. Aufgrund solcher Ähnlichkeiten ist Erinnerungsarbeit immer wieder auf unsere gegenwärtige Situation zu beziehen.

  • Wieder steht die Kündigung oder Missachtung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder völkerrechtlicher Verpflichtungen am Anfang eines Angriffskrieges.
  • Auch die ins Wahnhafte gleitende staatliche Propaganda gehörte zur Vorbereitung dieses Krieges und begleitet ihn dauerhaft.
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie das Massaker von Butscha, der Angriff auf die Infrastruktur des Landes, Folterverbrechen hinter der Front und die Entführung ukrainischer Kinder sind fürchterlicher Teil dieses Angriffskrieges.
  • Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen.

Dr. Bernd Moldenhauer