28. Februar

An diesem Montag haben wir uns nicht nur gegen den „Montagsspaziergang“ positioniert, sondern haben natürlich auch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine thematisiert. Nachdem die Teilnehmenden der 2. Veranstaltung, die sich ab 17.45 Uhr in der Bergstraße versammelten, zu uns gestoßen sind, haben wir 2 Texte verlesen.

In einer Rede haben wir erklärt, warum auch dieser Krieg das Thema unserer Initiative berührt. Anschließend haben wir einen Offenen Brief russischer Wissenschaftler*innen verlesen, deren Mut uns tief beeindruckt.

Rede am Montag; 28.Februar 2022

Vor einer Woche haben zwei Teilnehmer unserer Versammlung gesagt, wir sollten angesichts der politischen Lage heute über Frieden sprechen.

Wir alle haben nicht geahnt, dass es heute nicht mehr um die Erhaltung des Friedens geht, sondern um die Beendigung eines Krieges, in dem Brutalität und Wahnvorstellungen das Handeln der Aggressoren bestimmen.

Wir brauchen nicht nicht zu sagen, wogegen wir sind. Wir erinnern vielmehr daran, w o f ü r wir uns hier versammeln. Wir stehen hier, weil wir erstens und vor allem anderen rechtsstaatliche Verhältnisse achten und erhalten wollen. Das ist auch die Grundlage unseres Bündnisses gegen Rechts.

Bruch völkerrechtlich verbindlicher Abkommen

Fehlt die Bindung der Politik an das Recht, gibt es kaum noch eine Schranke für totale Herrschaft. Die Voraussetzung für diesen Überfall auf die Ukraine war ein vielfacher Rechtsbruch.

Gebrochen wurde mit

-der Schlussakte von Helsinki (1975), in der die unterzeichnenden Staaten sich in dieser Absichtserklärung verpflichteten zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

der Charta von Paris (1990) Vierunddreißig Staats- und Regierungschefs erklärten das Ende der Teilung Europas und leiteten eine Ära der Stabilität und des Wohlstands ein.

Des Budapester Memorandums, in dem  sich Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien jeweils gegenüber KasachstanBelarus und der Ukraine verpflichteten, als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Länder (Art. 1) zu achten.

Willkürliche Behauptungen als Scheinlegitimation

Gewalt tritt nie sprachlos auf. Sie wird immer irgendwie gerechtfertigt. Ohne diesen Glauben an die Rechtmäßigkeit kann es keine Zustimmung zu Verbrechen geben.

Dabei kommt es auf Tatsachen nicht an. Man kann alles behaupten, so lange es Menschen gibt, die jeden Quatsch glauben.

Ich zitiere aus einem Kommentar der „Süddeutschen Zeitung“. (25.2.2022, S. 4, Stefan Kornelius)

„Der schrillen jeder Fakten baren Rechtfertigung Putins darf man nicht zu viel Beachtung schenken, sie sind es kaum wert, dass man sie zu widerlegen versucht. Sie ist Teil eines Gespinsts, das der Kreml-Herrscher über Europa legt und zu dessen Lähmung nutzt. Nein, die Ukraine ist nicht faschistisch, es gibt dort keinen Genozid, die Nato bedroht Russland nicht, und das Recht auf Staatlichkeit für die Ukraine ist unumstösslich.“

Wird der Respekt vor nachweislichen Tatsachen aufgegeben, sind wir der Täuschung, der Lüge und der permanenten Verlogenheit ausgesetzt. Es dann nicht mehr möglich, zwischen vernünftiger Rede und haltlosen Einbildungen zu unterscheiden.

Wir können von hier aus nur Appelle an die Verantwortlichen richten  und Hilfe für Kriegsopfer und Geflüchtete leisten. Aber eines können wir tun : wir können dazu beitragen, dass Lügen und wahnwitzige Behauptungen, die durch die neuen Medien ganz andere Verbreitungsmöglichkeiten haben als noch vor einer Generation, keinen Glauben finden.

Für die Erhaltung von Rechtlichkeit, Vernunft und den Respekt vor Tatsachen versammeln wir uns. Sie wollen dazu beitragen, irrationaler Glaubensbereitschaft bei öffentlichen Themen die Grundlage zu entziehen.

Irrationalität spaltet. Das Ziel des Bündnisses gegen Rechts ist zu zeigen, dass wir uns nicht spalten lassen. Wir sehen, dass es sich in unserem Landkreis auch gegen den Krieg bewährt.

Die empörende Gleichgültigkeit gegen Leben, gegen Rechte und gegen Wahrheit findet genügend Anhänger in der Bevölkerung. Aber sehr viele sind gegen sie immun.

Das ist auch im Russland Putins der Fall.

Wir lesen einen offenen Brief vor an Putin, den mehr als 380 russische Wissenschaftler binnen 24 Stunden unterzeichnet haben. Harro Jenss wollte ihn verlesen, er ist aus Krankheitsgründen verhindert.

Offener Brief von 380 russischen Wissenschaftlern zum Ukraine – Krieg

Wir, russische Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten, erheben entschiedenen Protest gegen die von den Streitkräften unseres Landes begonnenen kriegerischen Handlungen auf dem Territorium der Ukraine. Dieser verhängnisvolle Schritt führt zu gewaltigen Menschenopfern und untergräbt die Grundlagen des etablierten Systems der internationalen Sicherheit. Die Verantwortung für die Entfesselung eines neuen Kriegs in Europa liegt vollständig bei Russland.

Für diesen Krieg gibt es keinerlei vernünftige Rechtfertigungen. Die Versuche, die Situation im Donbass als Anlass für die Entfesselung einer militärischen Operation auszunutzen, erwecken keinerlei Vertrauen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Ukraine keine Bedrohung der Sicherheit unseres Landes darstellt. Der Krieg gegen sie ist ungerechtfertigt und offensichtlich sinnlos.

Die Ukraine war und wird ein uns nahes Land bleiben. Viele von uns haben in der Ukraine Verwandte, Freunde und Kollegen im Bereich der Wissenschaft. Unsere Väter, Großväter und Urgroßväter haben gemeinsam gegen den Nationalsozialismus gekämpft. Die Entfesselung eines Krieges wegen der geopolitischen Ambitionen der Führung der Russländischen Föderation, die sich leiten lässt von zweifelhaften historiosophischen Fantasien, ist ein zynischer Verrat ihres Andenkens.

Wir achten die ukrainische Staatlichkeit, die sich auf real funktionierende demokratische Institutionen stützt. Wir sehen mit Verständnis die europäische Wahl unserer Nachbarn. Wir sind davon überzeugt, dass alle Probleme in den Beziehungen zwischen unseren Ländern auf friedlichem Wege gelöst werden können.

Mit der Entfesselung des Krieges hat sich Russland zu internationaler Isolierung verurteilt, zu einem ausgestoßenen Land. Das bedeutet, dass wir Wissenschaftler uns jetzt nicht in normaler Weise mit unserer Arbeit werden beschäftigen können; denn wissenschaftliche Untersuchungen sind undenkbar ohne eine vollwertige Zusammenarbeit mit den Kollegen anderer Länder. Die Isolierung Russlands gegenüber der Welt bedeutet eine weitere kulturelle und technologische Abwertung unseres Landes, bei vollständigem Mangel an positiven Perspektiven. Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Schritt ins Nichts.

Es fällt uns schwer, einzusehen, dass unser Land, das einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über den Nationalsozialismus geleistet hat, jetzt Anstifter eines neuen Krieges auf dem europäischen Kontinent geworden ist. Wir fordern die unverzügliche Einstellung aller gegen die Ukraine gerichteten militärischen Handlungen. Wir fordern die Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit des ukrainischen Staates. Wir fordern Frieden für unsere Länder.